Stadtratssitzung Landsberg am Lech am 12.06.2013

"TOP20: Derivate der Stadt Landsberg am Lech: Informationen zum Sachstand"

"Das kann ich nicht ermessen"
(Zitat Rechtsanwalt Hoffschmidt, auf die Frage von Stadträtin Fr. Dörre, ob der bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil aufgrund seiner bis 2008 leitenden Tätigkeit für die Bank, einen für die Stadt "negativen" Einfluss auf das Verfahren nehmen könnte.)


Zentrales Thema der Stadtratssitzung war die Derivateaffäre. Die Stadt ist als Stillhalterin von Optionen aufgetreten. Die Rolle des bayerischen Wirtschaftsministers und -- lt. Presseerklärung von 2009 -- damaligen "Chefsyndikus" von Hauck & Aufhäuser bleibt ungeklärt.

Hr. Hoffschmidt, übernehmen Sie!

Hr. Hoffschmidt, der die rechtliche Vertretung der Stadt im Verfahren mit Hauck & Aufhäuser übernommen hat, stellte seine Sicht des Ablaufs der ersten Hauptverhandlung vor dem Landgericht dar. Dies sei vor allem wichtig, da die Berichterstattung gezeigt hätte, dass "einiges durcheinander gebracht" worden sei.
  • Mediation aufgrund des Rechtsgegenstandes nicht sinnvoll
    Entweder die Auffassung der Bank oder die Auffassung der Stadt sei richtig. Ein Kompromiss sei bei dieser Ausgangssituation kaum denkbar. Mediationsverfahren seien nicht öffentlich, was der Bank entgegen käme, aber nicht der Stadt als öffentliche Institution. Die Erfahrung zeige, dass Banken eine Mediation nur nutzen würden, um das Verfahren zu verschleppen, ohne echtes Interesse, eine Einigung zu erzielen (Dieser Punkt wurde von der Stadt-Justiziarin, Fr. Mayr-Endhard bestätigt, die eine diesbezügliche "Umfrage" unter Kommunen gestartet hatte). Es sei weiterhin fraglich, so ergänzte OB Neuner, ob eine Mediation überhaupt von der Gemeindeordnung gedeckt sei.
  • Rechtliche Basis der Anklage:
    • Verstoß gegen den Erlass des Bayerischen Staatsministeriums von 1995:
      Die rechtliche Basis der Anklage sei der Erlass des Bayerischen Staatsministeriums von 1995 zur Verwendung von Derivaten bei bayerischen Kommunen. Darauf basiere der Stadtratsbeschluss von 2004, der ausdrücklich nur Instrumente erlaube, die durch den Erlass gedeckt seien. Der Stadtratsbeschluss läge der Bank vor, so dass sie die Rahmenbedingungen hätte kennen müssen. Die Optionen, bei denen die Stadt als Stillhalterin(!), also als Verkäuferin, aufgetreten sei, sei gemäß dem Erlass klar rechtswidrig.
    • Verstoß gegen die Gemeindeordnung:
      Die Position als Stillhalterin verstoße zudem gegen die Bayerische Gemeindeordnung §71 und §72. Die Optionsprämie der Stillhalterin sei als "kredit-ähnliches Geschäft" zu bewerten.
    • Verstoß gegen den "Ultra Vires"-Grundsatz:
      Der aus dem Völkerrecht(!) bekannte Grundsatz besage, dass Rechtsgeschäfte, die über den Zuständigkeitsbereich des Handelnden hinausgehen, als "endgültig rechtsunwirksam, also nichtig" zu betrachten seien. Der ehemalige Kämmerer Hr. Schilcher habe seine Befugnisse klar überschritten, das hätte auch die Bank wissen müssen.
    • Gegenpartei ist Hauck & Aufhäuser KGaA:
      Die beklagte Gegenpartei sei die Hauck & Aufhäuser KGaA, da alle Verträge mit dem Mutterhaus abgeschlossen wurden.
    • CMS Spread Ladder Swap-Entscheidung des BGH nicht maßgeblich:
      In der mündlichen Verhandlung hatten die Richter mehrmals die BGH-Entscheidung zum CMS Spread Ladder Swap der Deutschen Bank referiert, um deutlich zu machen, dass die Mutter durchaus davon ausgehen könne, dass die Tochter bereits die notwendige Beratung erbracht hätte. Hoffschmidt wies diese Ansicht als unmaßgeblich zurück, da der aktuelle Fall anders gelagert sei.
  • Gericht nicht bereit eine Entscheidung zu treffen:
    Die Betonung der Mediation durch das Gericht sei darauf zurückzuführen, dass das Gericht eine eigene schwierige Entscheidung in Form eines Urteils gerne vermeiden würde.
  • Gericht hat die Anklage nicht vollständig gelesen:
    Bei ihm sei der Eindruck entstanden, dass das hohe Gericht die 140-seitige Anklageschrift wenn überhaupt nur unvollständig gelesen hätte, so Hoffschmidt.
  • Das Gericht kennt die Gemeindeordnung nicht ausreichend:
    Bei ihm sei der Eindruck entstanden, dass die vorsitzende Richterin nur über rudimentäre Kenntnisse im Gemeinderecht verfüge, und sich erst noch einarbeiten müsse. "Das ist wirklich schwach, wenn sie mich fragen", so Hoffschmidt.
Danach stand Hoffschmidt für Fragen zur Verfügung. Stadtrat Hr. Handtrack sprach sich für eine Mediation aus, nachdem das Gericht klar gemacht hätte, dass die Siegchancen der Stadt auf dem Klageweg überschaubar wären.

Welche Rolle spielte der jetzige bayerische Wirtschaftsminister Zeil?

Nach Rückfrage einer Stadträtin an Hoffschmidt wurde deutlich, dass der "Hr. Zeil", von dem Hr. Hoffschmidt gesprochen hatte, der bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil sei. Welche Rolle Hr. Zeil im Zusammenhang mit der Klage spielt, wurde leider nicht ersichtlich. Brisant ist allerdings die Tatsache, dass Hr. Zeil zum Zeitpunkt der Derivate-Deals 2007/2008 gemäß Selbstdarstellung "(...) seit 1998 Leiter der Rechtsabteilung von Hauck & Aufhäuser Privatbankiers, seit 2003 zugleich Leiter des Geschäftsleitungssekretariats(...)" war.

Ein Eklat am Rande

Für einen kleinen Eklat sorgte die Tatsache, dass Hr. Handtrack die Richterin am Tag nach der mündlichen Verhandlung anrief, um nach eigener Aussage zu erfragen, ob eine Mediation weiter möglich sei, was diese bejahte. Justiziarin Mayr-Endhard bezeichnete dieses Verhalten als "nicht gerade hilfreich" und Stadtrat Hr. Kahmke ließ keinen Zweifel daran, dass er das Verhalten des Kollegen für nicht akzeptabel hält. Hr. Handtrack sah aber kein Fehlverhalten auf seiner Seite.